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Bible Papers

Predigt zu Jakobus 5, 1-6
Martin-Luther-Kirche Linz
1. Mai 2016

Und nun zu euch, ihr Reichen! Weint und jammert über das Elend, das euch erwartet am Tag, an dem Gott Gericht hält! Eure Reichtümer werden dann verfault sein, eure Kleider von den Motten zerfressen, und eure Schätze verrostet. Und dieser Rost wird euch anklagen und euer Fleisch wie Feuer verzehren. Ihr habt in den letzten Tagen der Welt Reichtümer angehäuft. Ihr habt den Leuten, die auf euren Feldern gearbeitet und eure Ernte eingebracht haben, den verdienten Lohn vorenthalten. Das schreit zum Himmel! Ihre Klage ist bis zu den Ohren des Herrn, des Herrschers der Welt, gedrungen. Euer Leben auf der Erde war mit Luxus und Vergnügen ausgefüllt. Während der Schlachttag schon vor der Tür stand, habt ihr euch noch gemästet. Ihr habt den Schuldlosen verurteilt und umgebracht, der sich nicht gegen euch gewehrt hat!

Liebe Gemeinde,
es ist immer wieder verblüffend, wie eindeutig die Bibel in manchen Fragen ist: Reichtum auf Kosten anderer ist nicht christlich, ist nicht jüdisch und auf gar keinen Fall biblisch. Das sagt uns nicht nur unser heutiger Predigttext, sondern auch viele andere Texte der hebräischen und der griechischen Bibel, also des sogenannten Alten und Neuen Testaments.

Hier ein paar Beispiele:

2. Mose 22, 24: „Wenn du Geld verleihst an einen aus meinem Volk, an einen Armen neben dir, so sollst du an ihm nicht wie ein Wucherer handeln; du sollst keinerlei Zinsen von ihm nehmen.“

2. Mose 23, 6: „Du sollst das Recht deines Armen nicht beugen in seiner Sache.“

3. Mose 19,10: „Auch sollst du in deinem Weinberg nicht Nachlese halten noch die abgefallenen Beeren auflesen, sondern dem Armen und Fremdling sollst du es lassen; ich bin der HERR, euer Gott.“

5. Mose 15,7: „Wenn einer deiner Brüder arm ist in irgendeiner Stadt in deinem Lande, das der HERR, dein Gott, dir geben wird, so sollst du dein Herz nicht verhärten und deine Hand nicht zuhalten gegenüber deinem armen Bruder.“

5. Mose 24, 14: „Dem Tagelöhner, der bedürftig und arm ist, sollst du seinen Lohn nicht vorenthalten, er sei von deinen Brüdern oder den Fremdlingen, die in deinem Land und in deinen Städten sind.“

1. Samuel 2, 8: „Er hebt auf den Dürftigen aus dem Staub und erhöht den Armen aus der Asche, dass er ihn setze unter die Fürsten und den Thron der Ehre erben lasse. Denn der Welt Grundfesten sind des HERRN, und er hat die Erde darauf gesetzt.“

Jesaja 58, 7: „Ladet die Hungernden an euren Tisch, nehmt die Obdachlosen in euer Haus auf, gebt denen, die in Lumpen herumlaufen, etwas zum Anziehen und helft allen in eurem Volk, die Hilfe brauchen!“

Aber nicht nur die jüdische Bibel, die Bibel Jesu, sondern auch Jesus selbst ergreift für die Armen Partei und kritisiert Reichtum, der auf Kosten anderer geht: Dem reichen Mann, der auf der Suche nach dem Himmelreich ist, sagt Jesus: „’Willst du vollkommen sein, so geh hin, verkaufe, was du hast, und gib’s den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben; und komm und folge mir nach!‘ Als der junge Mann das hörte, ging er traurig weg; denn er hatte ein großes Vermögen.“

„Geld macht glücklich, wenn man rechtzeitig drauf schaut, dass man’s hat, wenn man’s braucht“, lautet ein alter Werbespruch, der uns sehr plausibel in den Ohren klingt. Wahrscheinlich hat der reiche Mann auch ähnlich gedacht. Der Gedanke, sein Vermögen zu verschenken, machte ihn traurig.

Ist das die Normalität, dass uns der Gedanke an ein gefülltes Bankkonto glücklich macht und der Gedanke daran, etwas davon abzugeben, traurig? Haben deshalb so viele reiche und vermögende Menschen ihr Geld in Briefkasten- und Offshorefirmen geparkt, wie die „Panama Papers“ gezeigt haben?

Vielleicht sollten wir am heutigen „Tag der Arbeit“  Texte aus der Bibel als „Bible Papers“ veröffentlichen. „Bible Papers“, die aufzeigen, was ein christlicher Umgang mit Reichtum, was ein christlicher Umgang mit Armut ist.

„Ihr habt den Leuten, die auf euren Feldern gearbeitet und eure Ernte eingebracht haben, den verdienten Lohn vorenthalten. Das schreit zum Himmel!“, so Jakobus. „Der Arbeiter ist seines Lohnes wert“, heißt es an anderer Stelle in der Bibel.

„Der Arbeiter ist seines Lohnes wert“, dem Arbeiter, dem arbeitenden Menschen gebührt gerechter Lohn für seine Mühe. Was gerecht ist, ist im Einzelnen wieder sehr umstritten.

Ich meine, jede und jeder sollte durch Erwerbsarbeit zumindest soviel verdienen können, um sich und die eigene Familie mit dem Einkommen erhalten zu können. Leider ist das für viele Menschen zunehmend immer schwieriger, für manche – selbst im reichen Österreich – gar nicht mehr möglich.

„Working poor“ nennt man im Fachjargon jene Menschen, die ihre Familie trotz Erwerbsarbeit nicht mehr ohne staatliche Unterstützung ernähren, kleiden, gesund wohnen lassen können.

„Der Unterschied zwischen unten und oben zeigt sich in dem Ausmaß, in dem man über Versorgungs- und Einkommensspielraum verfügt, über Kontakte und Kooperationen, über Muße- und Regenerationschancen und über Möglichkeiten der Mitbestimmung und des Mitentscheidens“, so Martin Schenk von der Diakonie Österreich.

„Bei Reichtum geht es ja nicht nur um das ausgegebene Geld, die konsumistische Seite. Es geht auch um den Möglichkeitsraum, den Reichtum für die betreffenden Personen eröffnet. Ein Sicherheitsraum entsteht, der sich aus dem Konjunktiv nährt. Für den Fall, dass man’s hat, wenn man’s braucht.“

Reichtum ist also etwas durchaus Erstrebenswertes. Das Problem mit dem Reichtum ist ja nicht, dass man’s hat, sondern dass man nichts davon abgibt. Das zeigen die „Panama Papers“. Das zeigt die Geschichte vom „reichen Jüngling“. Darauf verweist auch Jakobus mit seinem Text.

Wer keine oder zuwenig Steuern zahlt, der entzieht dem Gemeinwesen Geld, das für einen sozialen Ausgleich dringend nötig wäre. Wer keine oder zuwenig Steuern zahlt, der macht sich an seinem Mitmenschen – christlich gesprochen: an seinem Nächsten – schuldig, solange es Menschen gibt, die zu wenig haben.

Ein jüdisch-christlicher Umgang mit dem Unterschied zwischen Arm und Reich orientiert sich an dem, was Menschen nötig haben, um ein gutes, gesundes, zufriedenes Lebens zu führen. Ein jüdisch-christlicher Umgang mit Armut und Reichtum fördert und fordert den Ausgleich zwischen den Extremen, fördert die Solidarität unter Menschen unterschiedlicher Herkunft und Einkommensklasse. „Umverteilung“ ist ein durchaus biblischer Begriff, wenn er meint, dass der, der mehr hat, dem geben soll, der weniger, ja sogar zu wenig hat.

Wenn wir unser christliches Erbe erhalten wollen, dann sollten wir jene Errungenschaften verteidigen, die für einen Ausgleich zwischen Reich und Arm, die für eine Umverteilung zugunsten der Bedürftigen wirksam sind. In Österreich ist das ein solidarisches Sozialsystem, das in den letzten Jahren immer stärker unter Druck geraten ist. Krankenversicherung, Arbeitslosenversicherung, Pensionsversicherung, bedarfsorientierte Mindestsicherung – sie alle beruhen auf dem Prinzip der Solidarität, das ein durchaus christliches, ja biblisches Prinzip ist.

Als Christinnen und Christen sollten wir daher den Sozialstaat stärken und jene Kräfte und Parteien unterstützen, die ebenfalls für einen sozialen und solidarischen Staat eintreten. Dabei gilt es genau hinzusehen.

„Willst du vollkommen sein, so geh hin, verkaufe, was du hast, und gib’s den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben; und komm und folge mir nach!“ Diesen Rat erhält der „reiche Jüngling“ auf der Suche nach dem „ewigen Leben“. Vielleicht müssen wir nicht so weit gehen. Vielleicht genügt es schon zu teilen, was wir haben, jede und jeder nach seinen Möglichkeiten.

Vielleicht entsteht dann aus 5 Euro und 3 Cent Reichtum für alle, so wie einst aus fünf Broten und drei Fischen Speise für Tausende wurde.

Amen.

Published inPredigten

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