Predigt zu Johannes 21, 1-4
am 11. April 2021
in der Lukaskirche Leonding
1 Später zeigte sich Jesus seinen Jüngern noch einmal am See Genezareth. Das geschah so: 2 Einige von ihnen waren dort am See beisammen – Simon Petrus, Thomas, der auch Zwilling genannt wurde, Natanaël aus Kana in Galiläa, die Söhne von Zebedäus und zwei andere Jünger. 3 Simon Petrus sagte zu den anderen: »Ich gehe fischen!« »Wir kommen mit«, sagten sie. Gemeinsam gingen sie zum See und stiegen ins Boot; aber während der ganzen Nacht fingen sie nichts.
4 Es wurde schon Morgen, da stand Jesus am Ufer. Die Jünger wussten aber nicht, dass es Jesus war. 5 Er redete sie an: »Kinder, habt ihr nicht ein paar Fische?« »Nein, keinen einzigen!«, antworteten sie. 6 Er sagte zu ihnen: »Werft euer Netz an der rechten Bootsseite aus! Dort werdet ihr welche finden.« Sie warfen das Netz aus und fingen so viele Fische, dass sie das Netz nicht ins Boot ziehen konnten.
7 Der Jünger, den Jesus besonders lieb hatte, sagte zu Petrus: »Es ist der Herr!« Als Simon Petrus das hörte, warf er sich das Obergewand über, band es hoch und sprang ins Wasser. Er hatte es nämlich zum Arbeiten abgelegt. 8 Die anderen Jünger ruderten das Boot an Land – es waren noch etwa hundert Meter – und zogen das Netz mit den Fischen hinter sich her.
9 Als sie an Land gingen, sahen sie ein Holzkohlenfeuer mit Fischen darauf, auch Brot lag dabei. 10 Jesus sagte zu ihnen: »Bringt ein paar von den Fischen, die ihr gerade gefangen habt!« 11 Simon Petrus ging zum Boot und zog das Netz an Land. Es war voll von großen Fischen, genau hundertdreiundfünfzig. Aber das Netz riss nicht, obwohl es so viele waren.
12 Jesus sagte zu ihnen: »Kommt her und esst!« Keiner von den Jüngern wagte zu fragen: »Wer bist du?« Sie wussten, dass es der Herr war. 13 Jesus trat zu ihnen, nahm das Brot und verteilte es unter sie, ebenso die Fische. 14 Dies war das dritte Mal, dass sich Jesus seinen Jüngern zeigte, seit er vom Tod auferstanden war.
Liebe Schwestern und Brüder im Glauben,
wäre es nicht schön, jetzt am Ufer eines Sees zu sitzen, warme Sonnenstrahlen im Gesicht, während nebenan über der Glut eines Holzkohlefeuers frische Fische brutzeln? In einem Korb liegt frisches Weißbrot, daneben warten ein Krug leckerer Holunder- oder Melissesirup und eine Flasche Wein darauf, von uns genossen zu werden.
Das wäre doch eine Auferstehung aus dem Jammertal der Coronapandemie, aus Krankheit, Quarantäne, Einsamkeit, Abstand, Masken und all den Einschränkungen, die uns derzeit das Leben vermiesen! Ja, das wäre schön.
In einem Jammertal befanden sich auch die Jünger und Jüngerinnen Jesu nach der Katastrophe seines Todes: Hoffnung weg, Zukunft weg, Orientierung weg – was bleibt sind Zweifel, Unsicherheit, Trauer und Verzweiflung. Jesu Hinrichtung am Kreuz war für seine Anhängerinnen und Anhänger eine tiefe Erschütterung. Alles, woran sie geglaubt, alles, worauf sie gehofft hatten, war mit der Person Jesus von Nazareth verbunden. Jetzt, da er tot war, stürzten auch all ihr Glaube, all ihre Hoffnungen wie ein Kartenhaus in sich zusammen.
Wenn man so hart am Boden der Tatsachen landet, besinnt man sich auf das, was bisher getragen hat, auf Familie, Freunde, Arbeit. So ist es auch kein Wunder, dass einige der Jünger Jesu sich auf ihre ursprüngliche Tätigkeit, auf ihren Beruf als Fischer besannen und am See Genezareth dem Fischfang nachgingen.
Mitten in dieser vertrauten Tätigkeit begegnete ihnen ein vermeintlich Unbekannter: »Kinder, habt ihr nicht ein paar Fische?« »Nein, keinen einzigen«, antworteten sie. Jesus, der Auferstandene, bleibt unerkannt. Dennoch folgen sie seiner Anweisung: »Werft euer Netz an der rechten Bootsseite aus! Dort werdet ihr welche finden.« Und wirklich: Sie fingen so viele Fische, dass sie das Netz nicht ins Boot ziehen konnten. Erst da dämmert es einem von ihnen, dem Lieblingsjünger: »Es ist der Herr!«
Dass Jesus nicht erkannt wird, ist ein durchgehendes Motiv vieler Auferstehungs-Geschichten. Erkannt wird Jesus häufig erst an Zeichen: an einem Wort, das er spricht; an seinen Wundmalen; am Teilen des Brotes. Wo Jesus sich zu erkennen gibt, verändert er die Wirklichkeit.
Wo Jesus sich zu erkennen gibt, verändert er die Wirklichkeit: Fische gehen in Überfülle ins Netz. Menschen werden heil. Gemeinschaft wird gestiftet. Wo Menschen Jesus begegnen, verändert sich ihr Leben. Der graue Alltag wird bunt, das Leben wird leichtfüßig wie ein Fest.
Auch im Scheitern gibt die Begegnung mit Jesus neue Hoffnung: »Werft euer Netz an der rechten Bootsseite aus! Dort werdet ihr Fische finden.« Jesus ermutigt die Jünger zu einem neuen Auf-bruch und verhilft so gegen alle Erwartung zur Fülle. Ob das auch für andere Bereiche des Lebens gelten mag?
Fische symbolisieren in der Erzählung vielleicht die große Zahl der Gläubigen, die durch die Arbeit der Apostel als Menschenfischer gewonnen werden. Die Zahl 153 wurde in der Tradition oft als Symbol für die Fülle der gesamten Menschheit gedeutet.
Die Jünger fingen Fische unterschiedlichster Arten, so wie in den christlichen Gemeinden Menschen unterschiedlichster sozialer, ethnischer, religiöser und kultureller Herkunft zusammenfanden. Die christliche Gemeinde bestand und besteht als versöhnte Gemeinschaft von Menschen, die sich trotz aller Unterschiede von Jesus in die Nachfolge rufen lassen.
Zu einer Gemeinschaft gehört gemeinsames Engagement, gemeinsame Arbeit. Zu einer Gemeinschaft gehören aber auch gemeinsames Feiern, Teilen, Essen und Trinken, Fröhlichkeit.
Im Mahl, bei Fisch und Brot und vielleicht auch Wein, haben die Jünger Gemeinschaft mit Jesus. Im Mahl, bei Brot, Wein und Traubensaft, erleben auch wir die Gegenwart Christi. Mir fallen dazu die vielen Geschichten von gemeinsamen Mahlfeiern ein, die von Jesus erzählt werden: Die Speisung der Fünftausend; die Hochzeit zu Kana; das Passahmahl mit den Jüngern; das Abendmahl in Emmaus.
Auch in der Szene am See Genezareth entpuppt sich Jesus als Freund des Teilens, des Essens, des Feierns. Doch bei diesem Mahl wird nicht nur der Körper satt, sondern auch die Seele wird gestärkt: durch Solidarität mit den sich abmühenden Fischern, durch Sorge für ihr leibliches Wohl, durch Gemeinschaft auf Augenhöhe.
Die Gemeinschaft, die Jesus mit den Jüngern am See teilt, ist ein Vorzeichen des Reiches Gottes. Auch im Reich Gottes wird es so zugehen: Menschen teilen ihre Sorgen und das Brot; Menschen sind füreinander da und helfen denen, die schwach sind; Menschen feiern, singen und tanzen, sind heiter und fröhlich.
Auch die christliche Gemeinde, auch die Kirche sollte so ein Ort sein: ein Ort der Tränen und des Lachens; ein Ort der Solidarität und Gemeinschaft; ein Ort, an dem die Unterschiede, die uns Menschen ausmachen, miteinander versöhnt sind.
Das Reich Gottes ist uns verheißen – in Jesus ist es bereits sichtbar geworden. Das Reich Gottes steht noch aus, doch in der Gemeinschaft, die Jesus uns anbietet, ist es bereits da: Als solidarische Gemeinschaft in Verschiedenheit; als Gemeinschaft, die redlich über richtig und falsch streitet; als Gemeinschaft, die Brot und Wein teilt.
Wer Anteil an dieser Gemeinschaft hat, findet auch den Weg aus dem Jammertal. Wer an seiner Arbeit verzweifelt oder sie verliert, fasst neuen Mut. Wer krank ist und Schmerzen leidet, wird innerlich heil. Wer sich einsam und verlassen fühlt, findet Brüder und Schwestern in Christus.
Liebe Schwestern und Brüder im Glauben,
wäre es nicht schön, jetzt am Ufer eines Sees zu sitzen, warme Sonnenstrahlen im Gesicht, während nebenan über der Glut eines Holzkohlefeuers frische Fische brutzeln? In einem Korb liegt frisches Weißbrot, daneben warten ein Krug leckerer Holunder- oder Melissesirup und eine Flasche Wein darauf, von uns genossen zu werden.
Auch wenn das heute nicht möglich ist trägt uns die Gewissheit, dass uns dies alles verheißen ist.
Amen.
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