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Worte zur Befreiung

Predigt zu 2. Mose 3,1-14 am 2.2.2025 in der Lukaskirche Leonding.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

1 Mose hütete die Herde seines Schwiegervaters Jitro. Jitro war der Priester von Midian. Einmal trieb Mose die Herde über die Steppe hinaus. So kam er an den Berg Gottes, den Horeb. 2 Da erschien ihm ein Engel des Herrn: Eine Flamme schlug aus einem Dornbusch. Mose bemerkte, dass der Dornbusch in Flammen stand und trotzdem nicht verbrannte. 3 Mose sagte sich: »Ich will hingehen und mir diese auffallende Erscheinung ansehen. Warum verbrennt der Dornbusch nicht?«

4 Der Herr sah, dass Mose vom Weg abbog und sich die Erscheinung ansehen wollte. Da rief ihn Gott mitten aus dem Dornbusch: »Mose, Mose!« Er antwortete: »Hier bin ich!« 5 Gott sprach: »Komm nicht näher! Zieh deine Schuhe aus! Der Ort, auf dem du stehst, ist heiliges Land.« 6 Weiter sprach er: »Ich bin der Gott deiner Väter, der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs.« Da verhüllte Mose sein Gesicht. Er hatte Angst davor, Gott zu sehen.

7 Der Herr sprach: »Ich habe die Not meines Volks in Ägypten gesehen. Die Klage über ihre Unter-drücker habe ich gehört. Ich weiß, was sie erdulden müssen. 8 Deshalb bin ich herabgekommen, um sie aus der Gewalt der Ägypter zu befreien. 10 Nun geh! Ich sende dich zum Pharao. Du sollst mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten führen.«

13 Mose antwortete Gott: »Ich werde zu den Israeliten gehen und ihnen sagen: ›Der Gott eurer Väter schickt mich zu euch.‹ Was ist, wenn sie mich fragen: ›Wie heißt er?‹ Was soll ich ihnen dann sagen?« 14 Da sprach Gott zu Mose: »›Ich werde sein, der ich sein werde.‹ Das sollst du den Israeliten sagen: Der ›Ich-werde-sein‹ hat mich zu euch geschickt.«

[Übersetzung: Basisbibel]

Liebe Gemeinde,
Gott ist für uns Menschen unsichtbar. Das legen unser heutiger Predigttext, aber auch die Lesung aus dem Matthäusevangelium nahe. Gott kann man nicht sehen, oder anders ausgedrückt: Gott zeigt sich uns Menschen nicht.

Tatsächlich gibt es keine einzige Bibelstelle, wo Gott sich einem Menschen zeigt. Wir sollen uns auch kein Bild von Gott machen, weder in unserer Vorstellung, noch gemalt, noch gezeichnet, noch als dreidimensionale Statue.

Dieses Bilderverbot wird in der reformierten Tradition ganz besonders ernst genommen – nicht einmal ein Kreuz findet sich in vielen reformierten Kirchen. In der katholischen Tradition nahm man das über die Jahrhunderte hinweg weniger ernst, wie ein Blick in romanische, gotische oder barocke Kirchen zeigt.

Wir kennen die Bilder vom Weltenschöpfer und Weltenherrscher mit dem weißen Bart, wir kennen auch Gottessymbole wie das Dreieck mit dem Auge. Dieses „Auge der Vorsehung“ gilt als Symbol für die Trinität und die allmächtige Kraft Gottes. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Darstellungen biblischer Geschichten, Bilder von Jesus, Maria, Engeln, Heiligen.

Hier aber, im 2. Buch Mose, ein Engel des Herrn in Form einer Flamme, ein brennender Dornbusch. Selbst die Engel werden in der Bibel nicht näher beschrieben.

Stattdessen wird überliefert, was gesagt, was gesprochen wurde: Gott sprach: »Komm nicht näher! Zieh deine Schuhe aus! Der Ort, auf dem du stehst, ist heiliges Land.« Weiter sprach er: »Ich bin der Gott deiner Väter, der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs.« Da verhüllte Mose sein Gesicht. Er hatte Angst davor, Gott zu sehen.

Gott kommuniziert – so zieht es sich durch die Bibel – weitgehend durch sein Wort, das durch Engel übermittelt, aus einem brennenden Dornbusch oder einer Wolke aus Licht gesprochen wird. „Fürchte dich nicht, Maria. Gott schenkt dir seine Gnade: Du wirst schwanger werden und einen Sohn zur Welt bringen“ heißt es in der Weihnachtsgeschichte. Oder in Matthäus 17, unserem heutigen Lesungstext: „Das ist mein geliebter Sohn, an ihm habe ich Freude. Hört auf ihn!“

Sprache ist das Medium Gottes. Durch Sprache wendet sich Gott an uns Menschen: er beruft Menschen in seinen Dienst – Mose, Propheten, Jünger. Er verpflichtet sein Volk und alle, die an ihn glauben, durch das Medium der Sprache: Am Berg Sinai, so die biblische Überlieferung, diktierte Gott dem Mose die Zehn Gebote. Auch hier: Sprache.

Alle persönliche Gotteserfahrung bleibt vage, subjektiv, lässt sich nicht beweisen, festnageln, objektiv verfügbar machen. Aber sie lässt sich berichten, erzählen, aufschreiben, weitersagen. All dies geschieht in der Bibel von Anfang an. Die Bibel ist ein Zeugnis von Gottes Offenbarung – von Menschen aufgeschrieben, immer wieder kom-mentiert und neu interpretiert. All dies geschieht im Medium der Sprache. Vielleicht schreibt deshalb Johannes in seinem Evangelium „Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.“

Für uns Christinnen und Christen in der Tradition der Reformation ist deshalb die Bibel besonders wichtig: „Sola scriptura“ – „allein die Schrift“ – mit diesem Slogan bekräftigten die Reformatoren, dass allein die Bibel Quelle des Glaubens und der Erkenntnis des Willens Gottes ist.

Nur in der Bibel begegnet uns Gott zuverlässig. Jede persönliche Gotteserfahrung muss sich von der Bibel hinterfragen, korrigieren, einordnen lassen. Nur durch Gottes Wort, wie es in der Bibel bezeugt ist, spricht Gott zu uns, so die Position reformatorischer Theologie. Und selbst sämtliches Theologietreiben ist an diese „norma normans“ – diese normierende Norm, die Bibel – gebunden.

Worte, Sätze, Sprache sind aber kein Selbstzweck, sie wollen uns etwas mitteilen. Es geht um den Inhalt, den Sinn der Worte, daher ist alle Theologie, ja aller christlicher Glaube, immer Auslegung. Auslegung der Bibel, Auslegung von Gottes Wort, Auslegung der Gebote und Verheißungen. Es geht um den Inhalt, den Sinn, die Bedeutung.

In unserer heutigen Geschichte offenbart sich Gott dem Mose nicht als Selbstzweck. Er sagt nicht „Hallo Mose, da bin ich. Sieh wie toll, großartig, mächtig ich bin.“ Nein, Gott offenbart sich Mose mit einem ganz bestimmten Ziel:

Der Herr sprach: »Ich habe die Not meines Volks in Ägypten gesehen. Die Klage über ihre Unterdrücker habe ich gehört. Ich weiß, was sie erdulden müssen. Deshalb bin ich herabgekommen, um sie aus der Gewalt der Ägypter zu befreien. Nun geh! Ich sende dich zum Pharao. Du sollst mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten führen.«

Gott offenbart sich dem Mose, um ihn zu berufen. Gott hat einen Auftrag für Mose. Gott hat einen Plan für sein Volk, die Israeliten. Einen Plan, der zum Beispiel für alle Völker wird. Einen Plan, der insgeheim für alle Menschen gilt.

Der Plan der Geschichte lautet „Freiheit und Befreiung“. Gott will, dass die Israeliten frei sind. Gott will, dass alle Menschen in Freiheit leben. Unterdrückung ist in Gottes Plan keine Option. Unterdrückung ist eine menschliche Sünde.

Die Geschichte vom Befreiungshandeln Gottes am Volk Israel wurde zu einer zentralen Säule des jüdischen Glaubens. Sie wurde auch für Christen im südafrikanischen Apartheidregime oder für Afroamerikaner der Bürgerrechtsbewegung in den USA zur Ermutigung: Gott will, dass ihr frei seid. Für Gott sind alle Menschen gleich viel wert. Eine Botschaft, die – so denke ich – auch heute ganz besonders wichtig ist.

Das Befreiungshandeln Gottes zieht sich durch die ganze Bibel. Und immer wieder werden Menschen berufen und ermächtigt, um im Auftrag Gottes Menschen in die Freiheit zu führen: Freiheit von Unterdrückung, Freiheit von Ausgrenzung, Freiheit von der Macht der Sünde.

Jesus von Nazareth hat auf ganz besondere Weise für die Befreiung der Menschen aus den Bindungen dieser Welt gewirkt, da er die gute Nachricht von Gottes neuer Welt gepredigt hat. Indem er Kranke geheilt, Ausgegrenzte in die Mitte der Gemeinschaft geholt und Sünden vergeben hat, ist das Reich Gottes schon hier und heute spürbar geworden.

Nun geh! Ich sende dich zum Pharao. Du sollst mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten führen“, sprach Gott zu Mose. Über Jesus von Nazareth sagte er: »Das ist mein geliebter Sohn, an ihm habe ich Freude. Hört auf ihn!«

Amen.

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