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Ein hörendes Herz

Predigt zu 1. Könige 3,5-15
am 6.8.2023 in der Martin-Luther-Kirche Linz und der Lukaskirche Leonding

5 In Gibeon erschien der Herr Salomo nachts im Traum. Gott sagte ihm: »Was immer du bittest, will ich dir geben.« 6 Salomo antwortete: »Deinem Knecht, meinem Vater David, hast du immer viel Gutes getan. Denn er war treu und gerecht, und sein Herz war stets auf dich gerichtet. Er hat sein ganzes Leben nach dir ausgerichtet, und du hast ihm die Treue gehalten. Du hast ihm einen Sohn gegeben, der heute auf seinem Thron sitzt. 7 Ja, so ist es jetzt, Herr, mein Gott! Du selbst hast deinen Knecht zum König gemacht anstelle von meinem Vater David. Dabei bin ich doch noch ein junger Mann und weiß nicht aus noch ein.

8 Als dein Knecht stehe ich mitten in deinem Volk, das du erwählt hast. Es ist ein großes Volk, so groß, dass es weder geschätzt noch gezählt werden kann. 9 Gib mir, deinem Knecht, ein hörendes Herz. Nur so kann ich dein Volk richten und zwischen Gut und Böse unterscheiden. Wie sonst könnte man Recht schaffen in deinem Volk, das doch so bedeutend ist?«

10 Es gefiel dem Herrn gut, dass Salomo genau darum gebeten hatte. 11 Gott sagte ihm: »Du hast weder um ein langes Leben gebeten noch um Reichtum oder den Tod deiner Feinde. Stattdessen hast du um Einsicht gebeten, um auf mich zu hören. Nur so kannst du gerechte Urteile fällen.

12 Darum werde ich deine Bitte erfüllen: Hiermit gebe ich dir ein weises und verständiges Herz. So wie du ist niemand vor dir gewesen, und nach dir wird es keinen geben wie dich. 13 Ich gebe dir sogar etwas, worum du nicht gebeten hast: Reichtum und Ehre. Kein anderer König wird sich mit dir vergleichen können, solange du lebst. 14 Ich werde dir ein langes Leben schenken. Richte dein ganzes Leben nach mir aus, wie dein Vater David es getan hat. Befolge also meine Gesetze und Gebote!«

15 Da erwachte Salomo und merkte: Er hatte geträumt. Er ging nach Jerusalem zurück, trat vor die Bundeslade des Herrn und brachte Brandopfer und Schlachtopfer dar. Danach veranstaltete er ein Festmahl und lud dazu alle seine Beamten ein.

Liebe Schwestern und Brüder,
wonach richten Sie ihr Leben aus? Geht’s da um Erfolg, um Geld, geht’s um Karriere und Ansehen, geht’s um Familie oder Freunde, Wissenschaft, Leistung, Sport, Spaß – oder wollen Sie einfach nur ein ruhiges, bequemes Leben führen?

Haben Sie einmal nachgedacht, was Ihre Leitlinien, Ihre Orientierungspunkte im Leben sind, oder lassen Sie sich einfach treiben, instinktiv, im Strom des Alltags, im Mainstream durch’s Leben?

Menschen orientieren sich an unterschiedlichen Zielsetzungen und Werten, mal mehr, mal weniger bewusst. Das ist normal in einer pluralen Gesellschaft, das macht auch die Vielfalt und Buntheit des Menschseins aus. Das ist grundsätzlich okay. Aber ist alles gleich gültig, ja sogar gleichgültig? Soll, ja muss man alles akzeptieren, oder ist doch manchmal auch Kritik, also Unterscheidung angebracht, eine Unterscheidung der Geister?

Jede und jeder von uns war schon einmal in einer Situation der Unsicherheit, war verunsichert davon, was das Leben so mit sich bringt: Krankheit, Beziehungsprobleme, Geldsorgen, Arbeitslosigkeit – es gibt so vieles, was uns aus der Bahn werfen kann. Bestimmt hatten auch Sie schon einmal das Gefühl „Ich weiß nicht aus noch ein. Ich weiß nicht, was ich tun soll.“

Gerade in solchen Lebenskrisen stellt sich die Frage nach den Wertigkeiten im Leben: Was ist mir wichtig? Was ist nebensächlich? Wie verhalte ich mich so, dass es mit meinen Werten im Einklang ist? Woran orientiere ich mich?

In der Fernsehserie „Raumschiff Enterprise“ oder – wie es im englischen Original heißt – „Star Trek“ hat die Vereinigte Föderation der Planeten eine „Oberste Direktive“ für ihre Sternenflotte. Diese fordert – vereinfacht gesagt – die Nichteinmischung in fremde Zivilisationen und Welten. An diese Regel müssen sich alle Mitglieder der Sternenflotte halten.

Haben auch Sie eine solche Leitlinie für Ihr Leben, eine Maxime, einen Handlungsgrundsatz an dem Sie sich orientieren? Was gibt Ihnen Orientierung? Was ist Ihre ganz persönliche „Oberste Direktive“?

Angeblich wenden sich manche Menschen in einer Lebenskrise der Religion zu – ich bin mir da nicht so sicher. Jedenfalls bin ich überzeugt, dass Religion, dass unser christlicher Glaube einiges zu bieten hat in punkto Orientierung: Gebote und Regeln für bestimmte Lebenssituationen, Beispielgeschichten, Weisheitstexte, tröstliche und stärkende Zusagen.

Wenn wir die Bibel nicht als antiquiertes Buch mit Geschichten aus längst vergangenen Zeiten betrachten, sondern als Schatzkiste, die Texte des Trostes, der Stärkung und der Orientierung enthält, dann gewinnt sie wieder neue Bedeutung für unser Leben.

Gewiss, die Bibel ist kein Rezeptbuch für Problemlösungen und ein gelungenes Leben im 21. Jahrhundert. Für viele Fragen der Gegenwart finden wir in der Bibel keine Antworten. Wohl aber ist sie eine gute Fundgrube für grundsätzliche Orientierung.

Die Bibel erzählt und berichtet von existenziellen Erfahrung von Menschen unterschiedlichster Zeiten und Kulturen. Grundsätzliche Fragen des Menschseins werden angesprochen: gutes und richtiges Leben, Gemeinschaft, Krankheit, Liebe, Sünde, Tod. Die Bibel ist Niederschlag menschlicher Erfahrung mit dem Leben, mit anderen Menschen und – nicht zuletzt – mit dem, was uns unbedingt angeht – wir nennen es Gott.

Und erstaunlicher Weise sind die existenziellen Erfahrungen von Menschen über Jahrhunderte, ja Jahrtausende die selben geblieben: individuelles Lebensglück und seine Bedrohung durch Tod, Krankheit oder Kriege; die Frage was ist richtig und was ist falsch; das Verhältnis des Einzelnen zur Gemeinschaft; die Frage nach dem Absoluten, dem Umgreifenden, dem Woher unserer schlechthinnigen Abhängigkeit, nach Gott.

Auf die damit verbundenen Fragen gibt die Bibel keine glatten, keine einfachen Antworten. Ich kann nicht in der Bibel nachschlagen wie in Wikipedia und erhalte nach wenigen Augenblicken eine plausible Erklärung, eine befriedigende Antwort auf meine Lebensfragen.

Die Bibel will vielmehr gelesen, befragt, reflektiert, ausgelegt, kritisiert und geschätzt werden. Antworten auf unsere Lebensfragen müssen wir der Bibel abringen, indem wir ihr zuhören, indem wir die Geschichten und Gebote in uns wirken, in uns arbeiten lassen.

Nur in Verbindung mit unserer eigenen Lebenserfahrung werden wir Antworten aus der Bibel erhalten. Antworten, die uns – unser Leben, unsere Ausrichtung, unser Handeln – immer wieder hinterfragen. Antworten, die uns Trost und Kraft geben, aber auch herausfordern.

Für uns Christinnen und Christen ist die Bibel Wort Gottes, und das heißt nicht, dass die Bibel von Gott diktiert oder aufgeschrieben worden wäre, nein. Die Bibel ist Menschenwort, durch das aber nach unserer christlichen Überzeugung Gott zu uns spricht. Darum dürfen wir mit Salomon sagen: „Gib uns ein hörendes Herz.“

Denn das Hören auf Gott, auf Gottes Wort und Gebote ist die grundsätzliche Haltung religiöser Menschen. Ich traue Gott, ich traue seinem Wort zu, Relevanz für mein Leben zu haben. Ich finde Orientierung in dem, was als Wort und Wille Gottes gilt oder erkannt wird.

„Du sollst Gott lieben von ganzem Herzen und deinen Nächsten wie dich selbst“ – das ist die Oberste Direktive der Juden und Christen. „Du wirst Gott lieben von ganzem Herzen und deinen Nächsten wie dich selbst“ – wenn du dein Leben an den Werten und Wertungen der Bibel orientierst.

Damit wir nicht sagen müssen „Ich weiß nicht aus noch ein“, bitten wir Gott mit Salomon „Gib mir ein hörendes Herz.“ Wenn wir unser Leben an dem ausrichten, der Liebe ist, wird uns – hoffentlich – ein weises und verständiges Herz geschenkt, das uns den Sinn von Gottes Weisungen und Geboten erschließt.

In all dem vertrauen wir auf Gottes Gnade, die uns Freiheit, Weisheit und Erkenntnis schenkt. Das löst nicht all unsere Probleme, doch es gibt Kraft, Zuversicht und Orientierung. Tag für Tag, immer wieder, und manchmal – so bin ich gewiss – auch nachts im Traum.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unser Erkennen, Verstehen und Urteilen, der bewahre euer Herz im Hören auf Gottes Wort und Willen in Jesus Christus.

Amen.

Published inPredigten

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