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Im Anblick der Gnade Gottes

Predigt zu Matthäus 27,33-54
am 29.3.2024 (Karfreitag) in der Lukaskirche Leonding

Liebe Gemeinde,
wie oft wurde Jesus schon gekreuzigt – 2024, im vergangenen Jahr, im 20. Jahrhundert, seit Bestehen des Christentums? Wie oft ist Jesus schon am Kreuz gestorben für die Dummheit der Menschen und die Sünden der Welt?

Vielleicht haben wir in diesen Zeiten das Bild des Gekreuzigten nötiger denn je, um all das Leid, all den Hunger, all die Krankheit und all den Tod zu verstehen, die unsere Welt prägen. Vielleicht brauchen wir den Karfreitag um solidarisch zu werden mit all den Leidenden, Hungernden, Kranken und Sterbenden dieser Welt.

Gott hat sich selbst gemein gemacht mit den Nöten der Menschen und aller Kreatur: mit dem Leiden der Schöpfung, hervorgerufen durch Klimawandel und Artensterben, beides menschengemacht; mit dem Hunger der Menschen in den benachteiligten Gegenden dieser Welt, der zu einem großen Teil von Menschen mitverursacht wurde und wird; mit den Kranken, denen geholfen werden könnte, würden wir unsere Ressourcen richtig einsetzen; mit dem unnötigen Tod so vieler Soldaten und Zivilisten in vielen Ländern dieser Erde.

Gott ist heute bei den israelischen Opfern des Terroranschlags vom 7. Oktober, die von Kämpfern der Hamas bestialisch niedergemetzelt wurden. Gott ist heute bei denjenigen Menschen in Palästina, die mit all dem Terror nichts zu tun hatten, aber nun zwischen die Fronten geraten. Gott ist heute bei den russischen Soldaten, die von Wladimir Putin zur Schlachtbank geführt werden. Gott ist bei den ukrainischen Opfern der russischen Aggression, bei allen, die ihr Leben, ihre Zukunft und ihre Heimat verlieren.

Gott hat sich selbst gemein gemacht mit den Nöten der Menschen und aller Kreatur. Dafür steht der Gekreuzigte, dafür steht Karfreitag. „O Haupt voll Blut und Wunden, voll Schmerz und voller Hohn, o Haupt, zum Spott gebunden mit einer Dornenkron“ – es greift zu kurz, diese Verse des bekannten Passionsliedes nur auf den gekreuzigten Jesus zu beziehen. Jesu Tod am Kreuz ist mehr als ein einmaliges geschichtliches Ereignis, gefolgt von einem wundersamen Eingreifen Gottes.

Jesu Tod am Kreuz ist Aufruf zur Solidarität mit den Leidenden. Jesu Tod am Kreuz ist Widerspruch gegen eine Welt, in der der Tod so vieler in Kauf genommen wird, obwohl das Leben möglich und geboten ist.

Wenn wir heute, am Karfreitag, an den gekreuzigten Jesus von Nazareth denken, dann ist auch Platz für all die persönlichen Leiden von uns allen: Einsamkeit, Krankheit, Arbeitslosigkeit, Leiden am Zustand dieser Welt … und was auch immer noch jede oder jeden von uns bedrückt.

Jesus kam ans Kreuz, weil er sich für die Schwächsten der Gesellschaft eingesetzt hat. Jesus kam ans Kreuz, weil er für Agape, die allumfassende göttliche Liebe, deren menschlicher Ausdruck die Nächstenliebe ist, mit seinem Leben eingestanden ist.

Darum hat Jesus uns auch erlöst, weil er sich nicht von Spott und Hohn beeindrucken ließ, weil er nicht den Weg der Gewalt wählte, sondern der Hingabe in Liebe.

In dieser Hingabe aus Liebe, in Liebe und um der Liebe Willen wird sichtbar, wie Gott uns gewollt hat: als solidarische Wesen, die im Nächsten Gottes Kind sehen und es respektieren; als friedliebende Menschenkinder, die füreinander da sind und sich umeinander sorgen; als Einzelne und als Gemeinschaft, die einander ihre Fehler nicht anrechnen, sonder Verzeihen üben und Vergebung.

Die Befreiung, die im Karfreitag liegt, besteht im Sichtbar-Werden eines neuen Weges jenseits von Egoismus, Selbstsucht und Gewalt. Jesus von Nazareth hat dafür die Spur gelegt. Jesus von Nazareth hat dazu unsere Sünden auf sich genommen. Jesus von Nazareth hat uns von uns selbst erlöst.

Im bekannten Passionslied von Paul Gerhardt klingt das so: „ Nun, was du, Herr, erduldet, ist alles meine Last; ich hab es selbst verschuldet, was du getragen hast. Schau her, hier steh ich Armer, der Zorn verdienet hat. Gib mir, o mein Erbarmer, den Anblick deiner Gnad.“

Lasst uns im Anblick der Gnade Gottes leben und versuchen dem gerecht zu werden, der sie für uns verkörpert: Jesus von Nazareth, der Christus. Lasst uns seinen Worten folgen, wenn er sagt: „Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden. Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen. Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden. Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen. Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen. Selig sind, die Frieden stiften; denn sie werden Gottes Kinder heißen.“

Amen.

Published inAllgemein

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