Predigt zu Hebräer 11, 8-10
12. März 2017
Lukaskirche Leonding
Durch den Glauben wurde Abraham gehorsam, als er berufen wurde, an einen Ort zu ziehen, den er erben sollte; und er zog aus und wusste nicht, wo er hinkäme. Durch den Glauben ist er ein Fremdling gewesen im Land der Verheißung wie in einem fremden Land und wohnte in Zelten mit Isaak und Jakob, den Miterben derselben Verheißung. Denn er wartete auf die Stadt, die einen festen Grund hat, deren Baumeister und Schöpfer Gott ist.
Liebe Gemeinde,
wissen Sie, was die Zukunft bringt? Haben wir Wirtschaftskrisen, Kriege und Umweltkatastrophen zu erwarten, oder dürfen wir uns auf Frieden, gesunde Luft und eine blühende Wirtschaft freuen? Müssen wir mit Arbeitslosigkeit, Krankheit und Einsamkeit rechnen, oder können wir auf sinnvolle Arbeit, Freunde und ein gesundes Leben bis ins hohe Alter zählen?
Wer von uns weiß schon, was die Zukunft bringt – für jede einzelne von uns, für die Gesellschaft, ja für die ganze Menschheit? Jede Entscheidung, die wir treffen, beruht auf Annahmen, Vermutungen, Hoffnungen. Zukunft ist immer offen und von Unsicherheit geprägt. Egal, ob wir uns für eine Ausbildung, eine Beziehung oder einen neuen Job entscheiden – das Scheitern ist immer eine Möglichkeit.
Unsicherheit ist geradezu eine Grundbedingung unseres Menschseins. Wie oft durchkreuzen Zufälle unsere Pläne, erweisen sich felsenfeste Gewissheiten als tragischer Irrtum. Immer wieder finden wir uns an einem neuen Anfang und fragen uns: Was wird der nächste Schritt wohl bringen?
Auch von Abraham heißt es: „Er wusste nicht, wo er hinkäme.“
Wenn wir doch den Mut hätten, etwas Neues zu versuchen! Vielleicht kennen Sie die Fernsehsendung „Deutschland wandert aus“ oder „Goodbye Deutschland“. Wäre das nicht was für Sie? Weg aus Österreich, weg aus dem immer gleichen Trott, aus all den Problemen und Beschränkungen, die unser Leben Tag für Tag bestimmen? Ein neuer Anfang in Kanada oder Australien. Ein neuer Beruf, mehr Freiheit, mehr Chancen. Oder zumindest weg von hier, in eine andere Stadt, in einen anderen Job, in eine andere Beziehung. Aber wird dann alles besser?
Da sind sie wieder – der Zweifel, die Unsicherheit, die Angst und die Mutlosigkeit. Jede von Ihnen, jeder von uns hat wohl schon einmal von einem neuen Aufbruch geträumt, hat sich das Leben anderswo schöner, besser, einfacher ausgemalt. Und es gibt sie wirklich: die Menschen, die ihre Heimat verlassen und anderswo ihr Glück versuchen.
Auch bei uns trifft man sie immer öfter. Menschen aus Ungarn, Rumänien, der Slovakei. Sie kommen als Krankenschwestern, Ärzte, Bauarbeiter. Sie arbeiten als Paketdienstfahrer, Putzfrauen und Rechtsanwältinnen. Die meisten von Ihnen verlassen ihre Heimat nicht freiwillig. Sie fliehen vor Arbeitslosigkeit und schlechter Bezahlung, versuchen durch Arbeit im Westen den Lebensunterhalt für sich und ihre Familien zu verdienen. Wieviel Mut und Verzweiflung, wieviel Aussichtslosigkeit und Hoffnung braucht es, um aufzubrechen in ein fremdes Land?
Auch von Abraham lesen wir: „Er wanderte aus.“
Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Diese bittere Wahrheit mussten schon viele erfahren, die von den Kirschen in Nachbars Garten geträumt haben. Auch die Kirschen in Nachbars Garten haben Würmer, und die Schönen und Reifen isst der Nachbar am Liebsten selber. Wir erleben das in Europa, in Österreich, in Oberösterreich gerade hautnah. Neben viel Solidarität und Hilfsbereitschaft gegenüber Menschen, die zu uns kommen, weil es ihnen zuhause schlecht ergeht, erleben wir auch Neid, Missgunst, Hass, Ablehnung. Neben viel Menschlichkeit und Menschenfreundlichkeit erleben wir auch Grausamkeit und Gewalt gegenüber Fremden.
Fremde wohnen oft in kleineren und teureren Wohnungen. Menschen auf der Flucht müssen sich meist mit beengten Unterkünften in schlechter Lage zufrieden geben. Zeitweise – wir erinnern uns – wurden sie sogar in Zelten untergebracht.
Auch von Abraham wird erzählt: „Er lebte wie in einem fremden Land und wohnte in Zelten.“
Wie würde es uns ergehen, in Kanada oder Australien, in einer neuen Stadt, in einem neuen Job oder einer neuen Beziehung? Wäre wirklich alles so gut, so schön, wie wir uns das oft ausmalen? „Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden“, heißt es. Wie können wir aber unsere Schritte nach vorne so tun, dass wir unseren Sehnsüchten und Hoffnungen näher kommen? Oder – biblisch gesprochen – wie kommen wir ins „Land der Verheißung“?
Gerade unser heutiger Predigttext zeigt, dass das „Land der Verheißung“ wohl nicht das Land ist, in dem Milch und Honig fließen. Was auch immer Gott dem Abraham verheißen hat, es war nicht das Paradies, es war kein Zustand der Sicherheit und Geborgenheit. Vielmehr scheint der Glaube sogar ein Hindernis für ein Heimischwerden Abrahams im gelobten Land gewesen zu sein, wenn es heißt: „Durch den Glauben ist er ein Fremdling gewesen im Land der Verheißung wie in einem fremden Land.“
Geben wir uns also falschen Hoffnungen hin mit unseren Träumen von einem besseren, glücklicheren Leben? Welchen Sinn hat ein Glaube, der uns zu Fremden im verheißenen Land macht?
Anstatt auf paradiesische Zustände und eine plötzliche Verwandlung der Welt zu hoffen, sollten wir lieber versuchen, die problematische Weltgeschichte zu bestehen und zu gestalten. Der Glaube gibt uns dazu Kraft, denn er ist Vertrauen, Zutrauen, Hoffnung. Wenn wir wie Abraham darauf hören, wer wir sein sollen, widerstehen wir der Versuchung einer Flucht in eine falsche Idylle. Wenn wir wie Abraham darauf hören, wer wir sein sollen, können wir lernen, auch die Schattenseiten dieser Welt auszuhalten und die schwierigen Herausforderungen der Realität zu bestehen.
Glaube ist Vertrauen und Offenheit für das, was kommt. Er lässt unserer Zukunft Raum für Neues, für die Gestaltung und Veränderung der Welt durch die Liebe. Glaube braucht daher das Loslassen von gegebenen oder scheinbaren Sicherheiten des Lebens. Die Fähigkeit zum „Auswandern“, der Mut, den Schritt in die Unsicherheit zu gehen und Neues zu wagen, ist eng mit dem Glauben verbunden.
Es ist nicht wichtig, dass wir ans Ziel gelangen, dass sich unsere Träume und Sehnsüchte erfüllen. Wichtig ist, dass wir uns vom Glauben, der Vertrauen auf die Geborgenheit in Gott ist, leiten lassen.
Auch Abraham war nicht am Ziel. „Denn er wartete auf die Stadt, die einen festen Grund hat, deren Baumeister und Schöpfer Gott ist.“
Amen.
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