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Sterben um zu leben.

Predigt zu Johannes 12, 24
am 14. März 2021
in der Lukaskirche Leonding

Liebe Schwestern und Brüder in Christus,
wir alle sterben um zu leben, immer wieder.

Zum Beispiel Monika: Monika hat sich immer schon eine große Familie gewünscht. Kinder zu haben war immer schon ihr Traum. Glücklicherweise hat sie Peter getroffen, dem es ganz ähnlich ging.

Verliebt, verlobt, verheiratet – und schon war Monika guter Hoffnung. Nach dem ersten Kind kam ein zweites, dann ein drittes und viertes. Mit der Zahl der Kinder wuchs die Anstrengung: Wäsche waschen, kochen, putzen, die Kinder zum Sport bringen und in die Musikschule, mit den Kindern lernen und spielen, und und und.

Obwohl Monika und Peter den Haushalt und die Kindererziehung gemeinsam bestritten, war Monika zunehmend müde, musste immer wieder auf Dinge verzichten, die ihr Spaß machten und wichtig waren: Sport mit den Freundinnen, Kinobesuche, eine neue, spannende Aufgabe im Beruf, einfach mal lesen. Viele Wünsche und Sehnsüchte wurden begraben unter den Notwendigkeiten des Alltags, fielen dem einen großen Wunsch zum Opfer: eine große Familie.

Und doch: wenn sie die Kinder spielen sah, wenn sie beim gemeinsamen Essen und Plaudern miteinander lachten, dann wusste sie, dass es sich gelohnt hatte, dass all die Mühe nicht umsonst war, weil aus ihrer Hoffnung eine lebendige Familie gewachsen war.

Liebe Schwestern und Brüder,
wir alle sterben um zu leben, immer wieder.

Zum Beispiel Markus: Markus hat sich immer schon für Physik interessiert, er wusste früh, dass er einmal Wissenschaftler werden wollte. Schon in der Schule war er begeistert dabei, wenn Experimente gemacht wurden, in seiner Freizeit verschlang er physikalische Fachbücher, während andere sich mit Mädchen trafen.

Im Studium kam er schnell voran, wurde Studienassistent, dann Assistent und schließlich wurde ihm angeboten, das Doktorat zu machen, ein Angebot, das er gerne annahm. Nach dem Doktorat kam die Habilitation, dann der Ruf auf einen Lehrstuhl an der Universität: Nun endlich konnte er forschen, wie es ihm beliebte, war er ganz in seinem Element.

Doch manchmal, wenn er zurückblickte, sah er all die Dinge, die er versäumt hatte: Spiel, Spaß und Party, Freundschaften und eine Beziehung, das Glück einer eigenen Familie.

Liebe Schwestern und Brüder,
wir alle sterben um zu leben, immer wieder.

Zum Beispiel Carla: Carla will Architektin werden. Das Studium ist nicht leicht, es gibt viel zu lernen. Während andere Studierende auch Zeit für Treffen, Freizeit und Freundschaften haben, sitzt sie in ihrem Zimmer, zeichnet und baut Modelle, da der nächste Abgabetermin bevorsteht.

Manchmal hat sie genug und will alles hinschmeissen. Manchmal hätte sie auch gern Zeit für Freunde und andere Interessen. Was sie auf Kurs hält ist ihre Vision, ihr Wunsch Häuser zu bauen, in denen sie, in denen Menschen sich wohlfühlen.

Liebe Schwestern und Brüder,
wir alle sterben um zu leben, immer wieder.

Für Dinge, die uns wichtig sind, müssen wir auf anderes verzichten. Für Ziele, die wir erreichen wollen, müssen wir andere Interessen und Wünsche hintanstellen. Wenn wir in einem Bereich unseres Wirkens und Arbeitens aufblühen wollen, muss ein anderer Bereich in uns sterben.

Musiker*innen, Künstler*innen, beruflich erfolgreiche Menschen wissen das, genau wie Monika, Markus und Carla. Menschen, die sich ganz einer Sache gewidmet haben, wissen das: Mahatma Gandhi, Martin Luther King, Nelson Mandela; Marie Curie, Sophie Scholl, Angela Merkel.

Auch Jesus hat sich ganz einer Sache gewidmet: der Verkündigung von Gottes Reich und seiner Liebe. Auch Jesus hat sich hingegeben für andere: hingegeben in die Aufmerksamkeit; hingegeben, indem er ganz nahe und präsent war; hingegeben, indem er für andere da war, zugehört hat, geholfen und geheilt hat.

Jesus hat seinen Glauben an die Liebe Gottes so radikal gelebt, dass er ihn ans Kreuz geführt hat. „Gottes Liebe kann nicht sterben“, hat er geglaubt; diesen Glauben hat er mit seinem Leben und mit seinem Sterben bezeugt.

Aus dem Leben und Sterben Jesu, aus seiner Auferstehung, die seine Nachfolgerinnen und Nachfolger bezeugt haben, ist die Kirche entstanden. Die Kirche, eine Gemeinschaft von Menschen, die an Gottes Liebe und Gnade glauben; die Kirche, eine Gemeinschaft, die Jesu Weg weitergeht und seine Botschaft weiterträgt.

„Das Weizenkorn muss in die Erde fallen und sterben, sonst bleibt es allein. Aber wenn es stirbt, bringt es viel Frucht.“ (Johannes 12, 24)

Amen.

Published inPredigten

4 Comments

    • Gernot Mischitz Gernot Mischitz

      Danke, Christoph 🙂
      Sehr schönes Lied. Hab’s mir extra mit lyrics angehört.

  1. Veröffentlichungswert … fürwahr!!! Danke!

    • Gernot Mischitz Gernot Mischitz

      Danke Matthias 🙂

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