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Kirche bauen

Predigt zu Matthäus 16,13-19 am 15.6.2025 in der Reformierten Kirche in Leonding.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

13 Jesus kam in die Gegend von Cäsarea Philippi. Er fragte seine Jünger: »Für wen halten die Leute eigentlich den Menschensohn?« 14 Sie antworteten: »Manche halten dich für Johannes den Täufer, andere für Elija. Wieder andere meinen, dass du Jeremia oder einer der anderen Propheten bist.«

15 Da fragte er sie: »Und ihr, für wen haltet ihr mich?« 16 Simon Petrus antwortete: »Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes!«

17 Jesus sagte zu ihm: »Glückselig bist du, Simon, Sohn des Johannes! Diese Erkenntnis hast du nicht aus dir selbst, sondern von meinem Vater im Himmel. 18 Und ich sage dir: Du bist Petrus, und auf diesen Fels werde ich meine Gemeinde bauen. Nicht einmal die Macht des Todes wird ihr etwas anhaben können.

19 Ich werde dir die Schlüssel zum Himmelreich geben: Was du auf der Erde für gültig erklärst, wird auch im Himmel gelten. Was du nicht für gültig erklärst, wird auch im Himmel nicht gelten.«

[Übersetzung: Basisbibel]

Liebe Gemeinde,
wie wird die Zukunft unserer Kirche aussehen? Das ist eine Frage, die Pfarrerinnen und Pfarrer wie engagierte Kirchenmitglieder gleichermaßen bewegt. Wird es die Kirche in 10, 20, 30 Jahren noch geben? Wird es der Kirche gelingen, älteren Menschen die Wertschätzung für ihr Bild von Kirche und ihren Weg im Glauben zu geben? Wird es die Kirche schaffen, jungen Menschen samt ihren Hoffnungen, Träumen und Vorstellungen von Kirche einladend Raum zu geben?

Was können wir als christliche Gemeinde tun, um in einer zunehmend pluralistischen und multireligiösen Gesellschaft offen zu sein für Menschen auf der Suche? Wie können wir Zeugnis ablegen von der Menschenfreundlichkeit Gottes und den Verheißungen des Evangeliums? Wie können wir miteinander und füreinander Gemeinde, ja Kirche sein – auf dem Weg und auf der Suche nach „der Stadt Bestem“?

Der tschechische Theologe Tomáš Halík schreibt: „Die jetzige Krise halte ich für einen Scheideweg, an dem sich die Möglichkeit eröffnet, in eine neue, ’nachmittägliche‘ Epoche der Geschichte des Christentums überzugehen. Das erschütterte Christentum kann – auch dank seiner schmerzhaften Erfahrungen – wie ein verwundeter Arzt das therapeutische Potential des Glaubens entfalten.“ Wir werden sehen. Wir dürfen hoffen.

Liebe Schwestern und Brüder, es liegt in der Luft: alle Welt wartet auf einen neuen Erlöser.

Der Zustand der Welt ist katastrophal, beängstigend. Klimawandel, Kriege, wirtschaftliche Verwerfungen stellen uns vor scheinbar unlösbare Herausforderungen. Viele von uns reagieren darauf mit Resignation, Hoffnungslosigkeit oder Fatalismus.

Der Zustand der Welt ist katastrophal, beängstigend. Die Menschen setzen ihre Hoffnung auf Scharlatane, Kriegsherren, Blender. Die Gesellschaft, die Welt wird gespalten – Gemeinschaft wird nur noch im Privaten und in der eigenen Bubble gelebt.

Vielleicht gab es zur Zeit Jesu eine ähnliche Sehnsucht nach Erlösung. Damals wartete man auf einen, der kommen sollte, um das jüdische Volk zu befreien. Die jüdische Apokalyptik kannte dafür unterschiedliche Bilder. Eines davon war der „Menschensohn“.

„In der nächtlichen Vision sah ich einen, der mit den Wolken des Himmels kam. Er sah aus wie ein Menschensohn. Er kam bis zu dem Hochbetagten und wurde vor ihn geführt. Ihm wurden Macht, Ehre und Königsherrschaft gegeben. Die Menschen aller Völker, aller Nationen und aller Sprachen dienen ihm. Seine Macht ist eine ewige Macht, sein Königreich wird nicht zugrunde gehen“, heißt es im alttestamentlichen Buch Daniel. Eine andere apokalyptische Schrift präzisiert: „Dies ist der Menschensohn, der die Gerechtigkeit hat und bei dem die Gerechtigkeit wohnt.“

Der „Menschensohn“ ist also eine Hoffnungsgestalt zukünftiger Dimension, ähnlich wie der Messias, der Gesalbte, den Juden zur Zeit Jesu erwarteten und heute noch immer erwarten. Für uns ist der Messias Jesus, der Christus.

Als Jesus seine Jünger fragte »Für wen halten die Leute eigentlich den Menschensohn?«, da meinte er sich selbst. Als er sie fragte »Und ihr, für wen haltet ihr mich?«, da antwortete Simon Petrus: »Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes!«

Wegen dieses Christusbekenntnisses des Simon nannte Jesus ihn Petrus – zu Deutsch ‚Fels‘. Das Christusbekenntnis des Petrus wurde zum Fundament der Kirche. Jesus sprach: »Ich sage dir: Du bist Petrus, und auf diesen Fels werde ich meine Gemeinde bauen.«

Der Glaube an Jesus Christus, den Messias, den Menschensohn, den Sohn des lebendigen Gottes ist das Fundament der Kirche – damals wie heute. Sein Bekenntnis verdankt Simon Petrus nicht eigener Einsicht, sondern dem Heiligen Geist: »Glückselig bist du, Simon, Sohn des Johannes! Diese Erkenntnis hast du nicht aus dir selbst, sondern von meinem Vater im Himmel.«

Dass Petrus die „Schlüssel des Himmelreiches“ anvertraut sind, bedeutet keine Machtposition, sondern ist Auftrag Kirche zu bauen. Was bedeutet es aber, auf dem Bekenntnis zum Sohn des lebendigen Gottes Kirche zu bauen?

Richten wir unseren Blick auf Jesus Christus, wie er uns im Evangelium des Matthäus begegnet: „Jesus zog durch ganz Galiläa. Er verkündete die Gute Nachricht vom Himmelreich. Er heilte jede Krankheit und jedes Leiden im Volk.“

Jesus sprach: »Glückselig sind die, die von Herzen freundlich sind. Denn sie werden die Erde als Erbe erhalten. Glückselig sind die, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit. Denn sie werden satt werden. Glückselig sind die, die barmherzig sind. Denn sie werden barmherzig behandelt werden. Glückselig sind die, die Frieden stiften. Denn sie werden Kinder Gottes heißen.«

Die Predigt und die Praxis Jesu zeigen uns, wie Kirche gelebt werden soll. Wie Jesus mit Menschen umgeht, was Jesus Menschen zuspricht und zumutet, ist Orientierung und Richtschnur für unser Handeln. Kirche wird gebaut durch Bekenntnis und Nachfolge. Bekenntnis zum Messias Jesus und Nachfolge in den Spuren des Jesus von Nazareth.

Was heißt das für uns in der Kirche, in der Gemeinde vor Ort ganz konkret? Lasst uns gastfreundlich sein zu Menschen unterschiedlicher Herkunft. Gehen wir – wie Jesus – auf Menschen zu, die am Rande stehen. Feiern wir fröhlich und zeichenhaft mit und unter ihnen. Übernehmen wir Verantwortung im Gemeinwesen und tragen wir etwas bei.

Fördern wir in der Gemeinde die Begegnung von Alt und Jung und kommen wir miteinander ins Gespräch. Lernen wir voneinander, denn Kirche ist einer der wenigen Orte in der Gesellschaft, an dem Alt und Jung, Reich und Arm, Einheimischer und Fremder einander unbefangen begegnen können.

Glaubenserfahrungen ins Gespräch zu bringen, ist eine wesentliche Aufgabe von christlicher Gemeinde. Glaubenserfahrungen sind vielfältig. Es gibt unterschiedliche Wege an Jesus Christus zu glauben, ihm zu vertrauen.

Simon Petrus hat uns gezeigt, dass das Bekenntnis zu Jesus Christus am Anfang der Kirche, am Beginn eines christlichen Lebens steht. Wie sich dieses Bekenntnis im christlichen Leben auswirkt, kann ganz unterschiedlich sein. Für mich haben sich drei Zugänge zum Glauben als tragfähig erwiesen:

Dorothee Sölle entwickelt in ihrem Buch Stellvertretung zwei Gedanken, die mir wichtig geworden sind: Christus vertritt uns vor Gott, er tritt also bei Gott für uns ein; und Christus vertritt Gott bei uns, er wird also zum Gewährsmann Gottes, der Gottes Vision vom Menschen in seinem irdischen Leben exemplarisch verwirklicht.

Christus tritt also für unsere Sünden und Fehler bei Gott ein und überwindet sie, aber er zeigt uns auch durch sein Leben, Leiden und Sterben, was und wie christliche Existenz gelebt werden kann und gelebt werden soll.

Zu allen Zeiten stellt sich Christinnen und Christen zu Recht die Frage „Was sollen wir verantwortlich tun?“ Dietrich Bonhoeffer beantwortet diese Frage mit der Empfehlung „Beten und Tun des Gerechten“.

Das Gebet lehrt uns, so Bonhoeffer, ,,Gott über alles zu fürchten und zu lieben“ und das Tun des Gerechten bedeutet nichts anderes, als ,,den Willen Jesu Christi zu tun“. Dieses Tun des Gerechten vollzieht sich im Dasein für andere, gemeint ist damit ,,der jeweils gegebene erreichbare Nächste“.

Wenn wir auf Jesus Christus blicken, erkennen wir das wieder: Vater, vergib ihnen, sie wissen nicht, was sie tun! … Bei euch soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein. … Du sollst Gott lieben von ganzem Herzen und deinen Nächsten wie dich selbst.

Leben mit Christus bedeutet also, sich verwandeln lassen von der Gnade Gottes, die uns befähigt aufeinander zuzugehen und füreinander dazusein. Unsere Fehler und Missetaten – theologisch ‚Sünde‘ – sollen uns dabei nicht im Wege stehen.

Die US-amerikanische Pastorin Nadia Bolz-Weber hat dafür ein schönes Bild geprägt: Sie nannte ihre Gemeinde „House for All Sinners and Saints“, also „Haus für alle Sünder und Heiligen.“ Gemeinde, so glaube ich, ist ein Ort, wo alle Platz haben: die vermeintlichen oder wirklichen Sünderinnen und Sünder genauso wie die vermeintlichen Heiligen.

Darum, so mein Plädoyer, lasst uns Gemeinde bauen – gegründet auf Christus – als Haus für alle Sünder und Heiligen. Zeigen wir der Welt die Menschenfreundlichkeit Gottes und vertrauen wir auf die Kraft des Heiligen Geistes.

Denn „es sind verschiedene Gaben; aber es ist ein Geist. Und es sind verschiedene Ämter; aber es ist ein Herr. Und es sind verschiedene Kräfte; aber es ist ein Gott, der da wirkt alles in allen.“

Amen.

Published inAllgemein

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